Mittwoch, 7. Dezember 2016

Gedankengrütze 5

Hej,

In letzter Zeit habe ich irgendwie so ein kreatives Loch, was meinen Blog hier angeht. Ideen habe ich zwar, aber irgendwie läuft es dann nie richtig, wenn ich anfange zu schreiben. Abgesehen davon hat Blogger sein komplettes Layout verändert und ICH HASSE DAS SO SEHR!!!
Ist jetzt aber auch egal, denn ich würde mal gerne über was sprechen.

Bevor ich hier ankam, war ich noch nie in Schweden, deshalb kannte ich dieses Land nur aus Dokus, Geschichten und Erzählungen. Schweden, das Land des Waldes, der roten Häuser, der blonden Menschen und der Sprache mit der lustigen Intonation. Ab November liegt Schnee und es ist dunkel, an den Wochenenden wird mit der Familie in den Wald gegangen, gegrillt und Sport gemacht. Man lebt in einem rotem Holzhaus mitten im Wald, zur Schule fährt man 20 Minuten Zug und nach der Schule macht man Spaziergänge im Wald.
Das war Schweden für mich. Genau so und nicht anders. Ich war immer sicher, dass Schweden genau so ist und dass ich es genau so erleben werde.
Dann bekam ich meine Gastfamilie.
Ganz im Süden.
Aber wirklich ganz im Süden.
Im letzten Zipfel Schwedens, wo Berlin näher dran ist als von meiner Heimatstadt.
Ohne Wald.
Zur Schule laufe ich 20 Minuten (oder fahre Fahrrad).
Jetzt ist Dezember und draußen regnet es.
Hm.
Soll ich mal was verraten? Am Anfang war ich sehr aufgeregt und gespannt und alles war toll und neu. Die ersten zwei Wochen. Dann kam der September. Mit dem September die ersten Erkentnisse. Hier unten klingt das Schwedisch ganz anders. Manchmal so richtig scheiße um ehrlich zu sein. Und irgendwie Wald hat es hier auch nicht. Rote Holzhäuser sieht man erst ab Kristianstad.
Super. Irgendwie ist es scheiße. Ich bin ja nicht einmal im richtigen Schweden! Kurz auf die Fähre hopsen und ich bin wieder in Deutschland.
So ging es mir eigentlich den ganzen September über.
Aber dann ist mir etwas aufgefallen.
Ich kannte Schweden ja nur von den Klischees. Ist ein Austauschschüler in Deutschland enttäuscht, weil er nach Flensburg kommt? Deutschland ist ja Lederhose, Weißwurst und Bier!
Nein, wahrscheinlich nicht.
Denn genau wie Deutschland hat auch Schweden seine unterschiedlichen Landschaften, Kulturen und Gegebenheiten.
In Skåne hat es eben Meer, Wind und man spricht Skånska. 
Das Schwedisch, dass ich kannte war eben Stockholmska. Das Schwedisch, dass mein Medieproduktionslehrer spricht. im Nachhinein ist es etwas ironisch, das sich ein Schwabe über hässliche Dialekte aufregt. (Schwäbisch ist immer noch besser als Sächsisch, aber gut).
Schweden ist genauso wenig nur Wald und rote Häuser wie Deutschland Lederhose und Weißwurst ist. 

Aber wie sieht es mit den Schweden aus?
Ich wusste ja, bzw. ich hatte gehört, dass Schweden in allem etwas lockerer und toleranter sind. Und das hat sich zum größten Teil auch bestätigt. Heiraten dürfen alle Sexualitäten, Feminismus ist deutlich verbreiteter (und es gibt so viel weniger Vorurteile diesem gegenüber) und allgemein wird weniger verurteilt. Auch in Malmö sieht man mehr Individualität (wo zum Teil Dänemark in Hinsicht auf Mode echt überschwappt). Aber auch hier ist nicht alles super. Die rechtsstehende schwedische Partei hat bei der letzten Wahl den Platz der drittgrößten Partei ergattert und in Trelleborg klebten Anti-LGBTQ Aufkleber.
Ja, die führenden Politiker hier sind tatsächlich nicht mehr ganz so traditionell wie die in Deutschland und haben somit einen faireren Grundstein gelegt, aber Schweden ist längst nicht perfekt und toll.


Und das Schulsystem?
Ist toll. Wirklich. Mein Programm passt eigentlich ganz gut zu mir (auf Psychologie hätte ich wirklich verzichten können :D) und meine Lehrer sind super (bis auf die Ausnahme Psychologie. Wirklich ALLES ist kostenlos. Essen, Bücher, Klassenfahrten, alles. Man hat weniger Fächer und lernt nur das, was man wirklich später für seinen Beruf braucht. Also man sitzt nicht in Chemie und fragt sich, wofür man als Journalist denn bitte irgendwelche Alkalimetalle braucht.
Was aber tatsächlich nervt ist irgendwie die Ungeregeltheit. Das Wort gibt es nicht, oder? Was ich meine ist, dass die Schweden da stellenweise so larifari und unstrukturiert sind. Die Antwort wird einfach rausgerufen und stellenweise fehlt dann doch so ein bisschen der Respekt vor den Lehrern. Auf dem "Anmeldezettel" für unsere Klassenfahrt gab es auch nur zwei Felder zum Ausfüllen. Dein Name und die Unterschrift der Eltern. Und die Information dazu war wann wir fahren. Mehr nicht. Meine Gastmutter hat mein Problem nicht verstanden :D


Wie klappt es mit der Sprache?
Schriftlich super! Gut, über meinen Aufsatz habe ich mit meiner Gastoma nochmal drübergeschaut und sie hat mir beim formulieren geholfen, da ich stellenweise etwas Deutsch geschrieben habe. Also so von der Satzfolge her. Und was mir beim Schreiben echt auffällt ist, dass Schwedisch wirklich weniger Wörter hat als das Deutsche. Das nervt mich stellenweise so sehr, wenn man so viele Wortwiederholungen hat und auch beim Lesen ist das leicht nervig.
Sprechen fühlt sich noch immer so komisch und ungewohnt an. Ich habe auch voll oft das Gefühl, dass meine Grammatik voll für die Tonne ist, weil meine kompletten Sprachkenntnisse ja "Learning-by-doing" sind, ich also noch nie einen Sprachkurs hatte. Und wenn man etwas auf Schwedisch sagt und dein Gastvater dich blöd anguckt, du es wiederholst und dann ein "Hä was laberst du?" kommt, hast du halt auch irgendwie keinen Bock mehr was zu sagen.
Aber vor kurzem hatten wir Gäste und ich habe mich mit dem einen ziemlich lange und ziemlich gut unterhalten. Auf schwedisch. Englisch habe ich eigentlich gar nicht gebraucht. Gut, wenn man jemanden mit ähnlichen Interessen, in dem Fall Musik, findet, ist es leicht sich zu unterhalten.
Was mich jedoch noch wirklich an den Rande der Verzweiflung treibt ist diese depperte Aussprache! Dieses dämliche r. ICH HASSE ES! Manchmal wird es irgendwie gerollt, manchmal nicht. Ab und zu hauen die Schweden irgendwie ein f ins Wort, das aber kein richtiges f ist sondern irgendwie ein ch mit einer Note von f und Häääää.
Und anscheinend habe ich voll den Deutschen Akzent haha lol wie lustig, selten so gelacht. Ja, ihr dürft jetzt aufhören euch darüber lustig zu machen, ich sage wenigstens nicht "isch scheiße Linnea" wenn ich mich auf Deutsch vorstelle.  (Ja, die sprechen das wirklich so aus, kein Bullshit.)
Aber irgendwie ist es komisch. Wenn ich Englisch spreche hört man zwar, dass ich kein Muttersprachler bin, aber ich habe keinen Akzent, laut Nia, und dann spreche ich Schwedisch und BAM.
Jag verkligen vet inte. 

Ach ja, manchmal fange ich an auf Schwedisch zu denken und ICH WILL DAS NICHT! Deswegen führe ich manchmal Selbstgespräche auf Deutsch, wenn ich allein bin. Ja. Überhaupt nicht gruselig oder so.

Apropos allein sein.
Das hat sich hier irgendwie nochmal verstärkt. Ich war immer die Person, die null Problem damit hat, auch mal was allein zu machen.
Ich fahre z.B. gerne allein nach Malmö und habe auch Fantastic Beasts and where to find them alleine gesehen. Und Doctor Strange auch, in Malmö. 14 Uhr, winziger Kinossal, Privatvorstellung. DAS WAR SO GEIL!!!!!


Und ich bin wieder vom Thema abgedriftet.
Zusammenfassend kann ich aber sagen, das Schweden für mich anders als erwartet ist (was nicht zwingend schlechter ist), ich aber trotzdem viel Spaß habe. Ich bin extrem froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe und dankbar, dass meine Eltern mir das möglich machen.

Ich habe schon viel gelernt. Sowohl über mich, als auch über das Leben im Allgemeinen und natürlich Schwedisch.

Gedankengrütze 1
Gedankengrütze 2
Gedankengrütze 3
Gedankengrütze 4

Vi ses,
Linnea

1 Kommentar:

  1. Hey du,

    Ich habe noch nie darüber nachgedacht, wie es für jemanden ist, der noch nie in Schweden war und wie immer hast du deine Gefühle mit Wörten wunderbar ausgelegt, sowie ich nur davon träumen kann, aber ich schweife ab. Auch wenn ich mal so gar nicht um die Ecke wohne und du ja auch einige Deutsche und andere Freunde in der Nähe hast, wollte ich dir nur mal kurz sagen, dass ich gerne und jederzeit für dich da bin, wenn du das mal wollen solltest.

    Liebste Grüße in den Süden,
    Lea

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